Vezekény Berenyi
Rede von Laszlo Berényi anlässlich des 350 jährigen Gedenkens der Schlacht von Vezekény
Als Historiker habe ich einige Jahre hindurch in den Archiven dreier Länder Daten gesammelt, um endlich ein wahrheitsgetreues Bild über die Schlacht bei Vezekeny zu bekommen und über die Ereignisse jenes ominösen Tages vor 350 Jahren, an dem vier von den acht anwesenden Esterházy in der Gegend von Vezekény gefallen sind. Pflicht des Historikers ist es, sich an die Tatsachen zu halten. Man kann sich aber nicht jahrelang mit Leben und Tod vierer Männer beschäftigen, ohne sie als Menschen kennenzulernen, die trockenen Worte der Archivalien übergehend. Deshalb möchte ich heute nicht nur als Historiker, sondern sozusagen als Freund, oder guter Bekannter die Persönlichkeit der vier Esterházy teils intuitiv schildern.
Der älteste, der 37-jährige Baron Franz, Haupt der Altsohler Linie, war der erfahrenste Soldat unter ihnen. Von Jugend auf stand er, erst neben seinem Vater, dann selbstständig, beinahe jeden Tag, den Türken gegenüber. Wie einst sein Vater, kümmerte er sich wenig um den Verbot des Hofkriegsrates und rächte gnadenlos alle Raubzüge der Türken. Deswegen mieden die Türken besonders die Umgebung der Burg Gyarmat, wo Franz den Oberbefehl inne hatte. Ein sorgenschweres Schicksal war Franz Esterhazy, Herr auf den Burgen Altsohl und Dobronya, zuteil. Der Löwenanteil der Besitzungen seines Zweiges, das linke Donauufer beinahe von Gran bis Buda, war unter türkischer Herrschaft; er hatte auch für die Erziehung seiner verwaisten jüngeren Halbbrüder zu sorgen. Die übriggebliebenen Familiengüter sollten auch eines Tages irgendwie dreigeteilt werden. Seit drei Jahren verheiratet, aber, abgesehen von einem im frühen Kindesalter verstorbenem Mädchen, kein weiterer Kindersegen!
Als einer der ersten im christlichen Lager eingetroffen, beriet er sich lange mit dem den Oberbefehl habenden Grafen Forgach über das Schicksal der einigen hundert christlichen Gefangenen im türkischen Lager bei Taszár. Es war sein Vetter Ladislaus der die Idee vorbrachte, dass - in einem Art "Familienunternehmen" - die Esterházy die christlichen Gefangenen befreien könnten. Franz überlegte gründlich die Chancen eines solchen Unternehmens, bevor er zugesagt hätte. Bevor er sich zur Ruhe legte, schrieb er an seine Frau, Ilona Arnade. Es war kein Liebes- oder Abschiedsbrief, sondern er schrieb was in der Wirtschaft getan werden sollte und bestellte Steinmetze nach Burg Gyarmat, um die Nordbastei zu richten.
Sein Vetter, der 26 jährige Ladislaus, - in Wien der schöne Graf genannt, - war aus anderem Holz geschnitzt. Als er sein väterliches Erbe antrat war ihm eine große Zukunft vorausgesagt. Schnell nacheinander wurde er Obergespan vom Komitat Sopron, Ritter des Goldenen Sporn, kaiser-königlicher Kämmerer, Oberbefehlshaber der Familienburg Papa, und königl. Rat. Schon in jüngsten Jahren galt er als tapferer und gescheiter Heerführer. Er unterhielt sich gerne, genoss die Gesellschaft schöner Damen und schätzte gute Pferde. Dies heißt aber noch lange nicht, er sei ohne Sorgen gewesen: mit dem Tod seines Vaters wurde er u. a. auch für die Erziehung seiner minderjährigen Geschwister und seiner verwaisten Nichte verantwortlich. Ladislaus aber glaubte an vernünftige Arbeitsteilung, so war ihm die Hilfe des Familienrates, so wie der erprobten Vertrauensmänner seines seligen Vaters willkommen.
Oft beriet er sich nächtelang mit seinem Onkel Wolfgang über die wirtschaftlichen und rechtlichen Angelegenheiten der Familie. Doch am nächsten Morgen jagte er schon in froher Gesellschaft in den Wäldern von Kismarton auf seinem geliebten Hengst Zülfikar. Das hat ihm aber nie gehindert sich um seine minderjährigen Geschwister liebevoll zu kümmern. Gewissenhaft befolgte er das Testament des Palatins die Erbschaft betreffend, und bei jeder Schlacht war er an der Spitze seiner Papaer Husaren. Schon in jüngsten Jahren verdiente er die ungeteilte Anerkennung seines Monarchen und die der führenden Herren des Landes. Eine der angesehensten Herren im Lande, Adam Graf Batthyány Gouverneur von Kroatien gab ihm mit Freude seine Tochter Maria Eleonora zur Frau.
Es ist irgendwie als natürlich zu betrachten, dass es gerade Ladislaus gewesen ist dem der Gedanke der Befreiung der Gefangenen eingefallen war. Sein Vater erinnerte ihn oft daran, dass Besitz verpflichtet: "uns wurde mehr zuteil damit wir mehr geben können." Zweifelsohne spielte auch in seiner Entscheidung das damals noch stark motivierende Prinzip des noblesse oblige eine Rolle. Auch er überlegte die Aussichten des bedachten Husarenstreich. Er fand, dass seine Vettern mit ihrer Begleitung von ungefähr hundert und einige Husaren würden genügen um die Gefangenen zu befreien. Es dürfte auch durch seinen Kopf gegangen sein, dass ein solches Unternehmen nur den Ruhm des Esterházyschen Namen vermehren kann. Auch Ladislaus schrieb einen Brief vor der Schlacht. Fröhlich schrieb er an Maria Eleonora, dass sie morgen mit den Türken schnell fertig werden und nachher wird er ihr die versprochene Seidenschuhe aus Wien mitbringen.
Die beiden anderen Vettern, die Ladislaus zum Familienunternehmen eingeladen hatte, die Barone Thomas und Caspar, als junge unverheiratete Kavaliere schätzten eher die Gelegenheit für ein Unterfangen, um dem diebischen Beg von Gran eine gebührende Vergeltung liefern zu können. Thomas wurde unlängst zum Vize-Hauptmann der wichtigen Burg Levenz ernannt und fing gerade an, sich um eine Ehefrau umzuschauen. Der 24-jährige Caspar der als Leutnant unter seinem unlängst verstorbenen Verwandten, Johann Baron Amadé, Kapitän von den Großen Schüttinseln diente, sehnte sich heiß beweisen zu können, dass er ein würdiger Nachfolger seines Verwandten wäre. Thomas schrieb an seinen Vater nach Galánta. Caspar zwar dachte kurz an die schöne kleine Serényi, hatte aber keine Lust zur Feder zu greifen.
Am 26. in der früh, in der August-Hitze Richtung Taszár reitend stellten sich die Esterházy's lachend vor wie die Türken überrascht das geplünderte Lager erblicken und ihre Gefangenen umsonst suchen würden. Die kleine Schar der Ungarn stürzte sich wie ein Wirbelwind auf das türkische Lager und das überraschte Wachpersonal suchte kopflos herum nach ihren Waffen. Die Husaren spannten rasch Pferde vor die türkischen Wägen, setzten die Gefangenen drauf und ließen sie schnellstens weggaloppierten Richtung Gimes. Inzwischen hatten die Soldaten bereits angefangen Kriegsbeute zu sammeln. Ladislaus Leibdiener Marci, zeigte stolz das Schwert mit schön bearbeiteter Damaskus-Klinge den er gerade einem Türken aus der Hand geschlagen hatte: "Schauen Sie Euer Gnaden!" - rief er Ladislaus zu - "Mit dem werde ich von nun an die heidnischen Bestien schlagen."
Baron Franz merkte als erster, dass etwas nicht ganz in Ordnung zu sein scheint. Am Horizont tauchte eine einige Hundert Mann zählende türkische Reiterschar in Schlachtordnung auf. Bis sie sich entsinnt hatten waren sie schon von der aus Buda gesandten sich nach Taszár verirrten türkischen Hilfstruppe umzingelt. Schritt für Schritt drängten sie die Ungarn gegen das sumpfige Überschwemmungsgebiet des Flusses Zsitva. Die scheuenden Pferde wichen schnaubend zurück als sie den morastigen Boden unter den Hufen spürten. Vom Pferd gestiegen, hatte Ladislaus schon zwei Türken niedergeschlagen als ein Streithackenhieb ihn auf den Kopf von hinten traf. Aus dem Augenwinkel sah er noch wie ein Türke dem am Boden liegenden Franz den Kopf abnahm. Da traf ihn eine Kugel im Unterleib. Der schöne Graf blickte herum, wo könnte Thomas und Caspar sein? Seltsamerweise dachte er an die Wälder von Kismarton und es kreuzte auch durch seinen Sinn, wer wird jetzt die Seidenschuhe Maria Eleonora bringen. Dann wurde es still, eine große, große Stille ... und Dunkelheit. Ein Janitschare riss ihm den väterlichen Säbel mit dem Türkisbeschlagene Griff, aus der erstarrte Hand.
Ungefähr zu dieser Zeit zog sich zum zweiten mal die Ungarische Reiterei zurück hinter die Wagenburg am Feld von Vezekeny. Die Kanonen von Oberst Walther schnitten wieder breite Reihen unter den verfolgenden türkischen Spahis. Schließlich brach der dritte Ansturm die Reihen der Türken, während die aus Buda gesandte türkische Hilfstruppe die Leichen der Gefallenen am Feld von Taszár plünderte.
Der von Taszar entkommene Diener Marci erzählte stotternd das Geschehene den anderen Esterházys. Als er zu Ende gesprochen hatte, wischte Baron Sigismund Schmutz und Blut von seinen Gesicht, kreuzigte sich fromm, und der in ihm aufgestauten Verzweiflung nachgebend, brach aus ihm ein fürchterliche Fluch.
Dies geschah bei Vezekeny und Taszar Anno Domini 1652 am 26-sten August.